• "Ich denke selbst, um nicht von anderen gedacht zu werden."

Infantismus

Infantismus ist eine Sammelbezeichnung für Denkrichtungen, die das Kindsein sowie den Lebensabschnitt Kindheit zu erforschen und auf die Definition und Durchsetzung spezifischer Kinderrechte abzielen. Der Infantismus (lat. infans Kind) ist in der patriarchalen Gesellschaft ein ebenso wichtiges Mittel zum Widerstand wie der Feminismus (lat. femina Frau).

Doch während von Feminismen aller Art mittlerweile öffentlich und anklagend die Rede ist, kann Ähnliches vom Infantismus - und von Kinderrechtsbewegungen (Kinderparlamente, Kinderwerte, Kinderwahlrecht) - nicht gesagt werden. Auch das ist ein Symptom für die Lage des Kindes.

Kindheit als Begriff für den eigenständigen und nicht schon auf das Erwachsensein hinzielenden und von diesem her zu deutenden Lebensabschnitt hat sich mit der Aufklärung herausgebildet. Kindheit darf nicht auf eine Perspektive reduziert werden, die sie als bloßes Übergangstadium zum eigentlichen Menschsein interpretiert.

Kinder, frei geborene Wesen, die niemandem zu dienen haben, leben in der Welt der Erwachsenen statt in ihrer eigenen. Sie werden meist herabgewürdigt, dem Leben der Eltern Sinn zu geben, elterliche Bedürfnisse zu befriedigen, den Eltern Bestätigung zu vermitteln. Was unter uns Kind heißt, ist - unter dem Vorwand der Erziehung - den Erwartungen angeglichen, die andere Menschen von ihm haben. Infantistische Bewegungen stellen sich die Aufgabe, diese Zustände und Entwicklungen auch philosophisch und soziologisch aufzuarbeiten und ihnen politisch zu begegnen.