• "Ich denke selbst, um nicht von anderen gedacht zu werden."

Synontologie

Synontologie ist eine Bezeichnung (vom griech. syneimi = zusammensein, ehelich oder außerehelich verkehren) für eine Lehre von der Partnerschaft, die sich mit den allgemeinen Ursachen und Gesetzmäßigkeiten, Zusammenhängen, Strukturen, Entwicklungen menschlicher Paarbeziehungen und Lebensentwürfe befasst.

Auf dem Hintergrund der von uns ererbten Strukturen wie der "romantischen Liebe" und der exklusiven Kleinfamilie vor allem im Bürgertum des 19. Jahrhunderts werden dabei vor allem neue gesellschaftliche und individuelle Entwicklungen der Partnerschaft untersucht. Denn grundlegender als die traditionelle Familiensoziologie und ihre Themen ist die Besinnung auf deren Basis: die auf Liebe gestützte Partnerschaft. Den Untersuchungen über Ehe und Familie muss daher die Untersuchung der Partnerschaft als solcher vorangehen.

Partnerschaftliche Liebesbeziehungen werden jedoch in der wissenschaftlichen Diskussion noch weithin vernachlässigt, als handle es sich um Randthemen, auch das ein Zeichen für die Lebensferne vieler herkömmlicher Ansätze. Eine Lehre von der Partnerschaft muss demgegenüber die Hauptphasen des Erlebnisprozesses zweier oder mehrerer Menschen untersuchen: die Partnersuche, die Einübung in das Leben als Paar, den möglichen Abschied (Trennung und Scheidung), den möglichen Neubeginn (Trennung als Katastrophe oder als Chance). 

Diese Phasen können von der Synontologie unter den folgenden Gesichtspunkten behandelt werden: Bindungsprozesse (Anziehung, Anknüpfung), Bestandsprozesse (Alltage des Paares), Aufkündigungs- und Ablösungsprozesse (Trennung von Liebesbeziehungen). Im Einzelnen bieten sich dazu unter anderem die folgenden Untersuchungsgegenstände an: Die Angst vor dem Alleinsein als einer der Hauptgründe für Partnersuche, der gegenwärtige "Markt der Möglichkeiten", Werbesignale, geschlechtsspezifische Ziele und Wahrnehmungsvorgänge, die Attraktion und die entsprechende Partnerwahl, die eventuelle Publikation der Liebe (Hochzeit oder nicht?), Konfliktpotentiale, Suche nach Balance oder Harmonie in der Partnerschaft, Machtverhältnisse, Liebeskalkulationen (Vor- und Nachteile einer bestehenden oder möglichen Partnerschaft), die Sexualitäten beider Seiten, mögliche Streitkulturen, Krisenmanagement, Phasen der Entfremdung (Segregation), rechtlich verbindliche Partnerschaftsverträge, die unter anderem die Regelung der "Zeit danach" enthalten.

Synontologie kann sich jedoch nicht nur unmittelbar an individuelle Alltagserfahrungen anschließen oder sich ratgeberisch mit persönlichen Problemen beschäftigen. Sie muss, kritisch entschleiernd, nach den allgemeinen Ursachen und Gesetzmäßigkeiten, nach Zusammenhängen, Strukturen, Entwicklungen fragen. Dabei wird sie weitere Forschungsdisziplinen wie Anthropologie, Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Erziehungswissenschaft, Volkskunde mit auf die Suche nehmen. Synontologische Untersuchungen können nur durchgeführt werden inmitten des gegenwärtigen experimentellen und transitorischen Milieus, wo alle Menschen mit Beziehungsformen experimentieren und niemand mit Sicherheit sagen kann, welche Lebensentwürfe sich nach der heutigen Übergangszeit (Abschied von den traditionellen Modellen der Ehe und Familie, Wechsel der Rollen von Familienmitgliedern, Funktionsverlagerungen) durchsetzen werden. Als mögliche - auch familienpolitisch wichtige - Alternativen zeichnen sich bereits ab: Alleinlebende (Singles), Partnerhaushalte (zwei oder mehrere Menschen, hetero- oder homosexuell, leben in einem Haushalt zusammen), living-apart-together (Partner sind gebunden, leben jedoch in getrennten Haushalten), Ein-Eltern-Haushalte (sogenannte alleinerziehende Elternteile), Patchwork-Familien.